Zukunftswerkstatt Stadtplanung Linz
Linz bekommt als erste Stadt Österreichs eine Zukunftswerkstatt.
So heißt es zumindest in der Pressemitteilung des Medienservice der Stadt Linz vom 27.11.2017. Was aber genau diese Zukunftswerkstatt ist, welche Aufgaben sie hat und aufgrund welcher Grundlagen sie arbeitet, bleibt weitgehend unklar.
Die Ansage
In der Pressemitteilung ist zwar nachzulesen, dass die Zukunftswerkstatt ein Think-Tank sei, ein interdisziplinär zusammengesetztes Experten-Team, wo „selbstständig an der Linzer Zukunft [gearbeitet wird][…], wichtige stadtplanerische Ideen und Potenziale […] sehr früh verfolgt und entwickelt [werden sollen.]”. Der Themenkatalog ist umfassend: „Mobilität, Wohnen, Arbeit, Wirtschaft, Standort, Energie, Bürgerpartizipation, öffentlicher Raum, Kultur, Altenpflege, Sicherheit, Integration und Kinderbetreuung” usf.
Während es auf der einen Seite heißt, dass die Zukunftswerkstatt selbstständig arbeitet, positioniert sich der Beitrat der Zukunftswerkstatt, in welchem keine Experten vertreten sind, als Auftraggeber und Entscheider. Und sie sind es auch, die den Experten vorgeben, was als mögliches Zukunftsthema zu bearbeiten ist.
Daher ist nicht davon auszugehen, dass das Expert*innen-Team die Themen der eigenen Forschung selbst wählt, je nachdem, was sich als relevant für die Stadt in Zukunft erweisen könnte. Vielmehr scheint es so zu sein, dass dieses Team nur per Auftrag tätig werden kann, um dann innerhalb gesetzter Grenzen selbstständig die Auftragsarbeiten zu erledigen. Quasi auf Zuruf von Politiker*innen und Beamt*innen sollen Expert*innen tätig werden. Dabei würde man annehmen, dass es Expert*innen wären, die die kritischen Entwicklungen, die künftigen Herausforderungen eher erkennen könnten.
Die Auftragsarbeiten der Expert*innen können sich nur im Rahmen des zwangsläufig beschränkten Horizonts der Auftraggeber (Politik und Verwaltung) bewegen. Das ist für eine Zukunftswerkstatt definitiv zu beschränkt und nicht ausreichend.
Zukunftsplanung als Ergänzung zur Stadtplanung
Dieses neue und innovative Instrument soll nicht die Stadtplanung ersetzen, sondern sinnvoll ergänzen
, heißt es. ebd. Wenige Wochen später präzisierte das Vizebürgermeister Markus Hein (FPÖ), Verantwortlicher für Raumplanung und städtische Hochbauangelegenheiten. Er meinte laut Pressemitteilung vom 20.12.2017: Mit der nun beschlossenen Erarbeitung und Umsetzung eines neuen Stadtentwicklungsplanes sowie der Einrichtung einer Linzer Zukunftswerkstatt können mit neuer Vorgangsweise nachhaltige Grundlagen für die künftige Planung in Linz vorlegt werden.
Das lässt bereits hellhörig werden. Im Zusammenhang mit seiner Behauptung, dass das Zeitalter herkömmlicher, linearer Planungs- und Entwicklungsprozesse vorbei [sei]
, klingt das fast nach ‚gefährlicher Drohung’. Jedenfalls ist dies Anlass genug, näher hinzusehen und nachzufragen, was es mit der Zukunftswerkstatt auf sich hat.
Die Fragen wurden über mehrere Wochen hinweg im schriftlichen Austausch und einem ausführlichen Gespräch diskutiert. Die Antworten sind teils wörtlich wiedergegebene Auskünfte (zumeist aus schriftlichen Antworten) teils Zusammenfassungen von mündlichen Auskünften. Das ausführliche Gespräch in der Abteilung Planung, Technik und Umwelt fand am 27. September 2021 statt.
Zukunftswerkstatt
- Ist die Zukunftswerkstatt ein ständig arbeitender Think-Tank (in welchem Umfang, Rahmen) oder nur ein informeller Kreis ohne klare zeitliche, räumliche und personelle Struktur?
Die Linzer Zukunftswerkstatt wurde mit dem Ziel eingerichtet, sich mit aktuellen Entwicklungen, Anforderungen und Handlungspotentialen in allen Bereichen der Stadtentwicklung auseinanderzusetzen. Als städtisches Entwicklungsinstrument für Zukunftsprojekte fungiert diese zur Beratung der Kommunalpolitik bei konkreten Aufgabenstellungen mit jeweils klar formulierter Zielsetzung. Ein Beirat als Auftraggeber trifft dabei die grundsätzlichen Entscheidungen wie Themenauswahl, Nominierung und Bestellung der Mitglieder des Exekutivkomitees bzw. der Arbeitsweise des Komitees [Hervorhebung durch Autor].
- Wer sind die Mitglieder?
Der Beirat besteht grundsätzlich aus dem Bürgermeister/in (Vorsitz), den für die Planung zuständige Mitglieder des Stadtsenates (Vorsitz Stv.), je ein/e Vertreter/in der im Gemeinderat vertretenen Parteien und dem Direktor des Geschäftsbereiches Planung, Technik und Umwelt.
- Wer beruft diese Mitglieder und nach welchen Kriterien werden diese berufen und auf welche Dauer?
Die Mitglieder werden vom Beirat für die Dauer eines Projektes berufen.
- Wie muss man sich dieses „selbstständige Arbeiten” vorstellen (Frage der Rechenschaftspflicht: Wem gegenüber besteht diese; besteht überhaupt eine)?
Die Mitglieder sind über Werkverträge tätig. Innerhalb des Auftrags sind sie unabhängig und selbständig. „Laufende Informationen und Präsentationen haben gegenüber dem Beirat zu erfolgen”. Für das Ergebnis sind sie dem Beirat rechenschaftspflichtig.
- Wie erfolgt die Entlohnung (Honorar, Aufwandsentschädigung o.a., in welcher Höhe, wie sind die Modalitäten)?
Dazu heißt es: Die Honorare orientieren sich an Umfang und Dauer des Projekte und erfolgen in üblicher Höhe. Bislang wurden Einzelhonorare in mittlerer fünfstelliger Höhe vereinbart. Nähere Angaben dazu und zu den Modalitäten waren nicht in Erfahrung zu bringen.
- Gibt es nur einen Think-Tank oder mehrere, womöglich parallel und sich überlappend zu unterschiedlichen Themen?
Grundsätzlich wäre das möglich, ist aber derzeit nicht der Fall. Konkrete Festlegungen dazu gibt es noch nicht.
- Gibt es eine Veröffentlichungspflicht? In welcher Form wird die Arbeit der Zukunftswerkstatt kommuniziert bzw. wird sie das überhaupt?
Eine Veröffentlichungspflicht gibt es nicht. Darüber hat man sich bislang keine Gedanken gemacht. Über allfällige Veröffentlichungen entscheidet der Beirat je nach Fall.
- Gibt es eine Evaluation der Tätigkeit des Think-Tanks etc., durch wen erfolgt diese und sind die Evaluationen öffentlich einsehbar, bzw. zumindest dem Gemeinderat zugänglich?
Das ist nicht geregelt. Darüber hat man sich noch keine Gedanken gemacht.
- Gibt es ein fortlaufendes Budget?
Für jede eingerichtete Zukunftswerkstatt muss ein eigenes Budget erstellt und in Art und Höhe in den dafür vorgesehenen Gremien genehmigt werden.
Beirat
Bekannt ist, dass die Zukunftswerkstatt einen Beirat hat, der sich aus Bürgermeister, Infrastrukturreferent, Vertreter der Gemeinderatsfraktionen, Direktor des Geschäftsbereichs „Planung-Technik-Umwelt“ zusammensetzt und dem die Rolle des Auftraggebers und Entscheider zukommt. D.h. die Entscheidungsgewalt liegt hier bei einem Beirat, obwohl üblicherweise Beiräte beratende Funktion haben, Empfehlungen geben.
- Wie ist der Beirat formal gefasst (z.B. Gemeinderatsbeschluss)? Wer/ was legitimiert den Beirat als Entscheider?
Es gibt dazu einen Gemeinderatsbeschluss (20. Gemeinderatssitzung vom 30.11.2017, L1) Eine Geschäftsordnung zur Zukunftswerkstatt wurde im Gemeinderat nicht beschlossen.
- In welcher Form werden die Entscheidungen dokumentiert, kommuniziert und evaluiert?
Die Dokumentation erfolgt durch öffentlich nicht einsehbare Sitzungsprotokolle
Exekutivkomitee
Neben dem Beirat gibt es ein Exekutivkomitee, das sich aus „akademischen Vertretern einer Universität sowie weiteren Experten aus verschiedenen Disziplinen” zusammensetzt.
- Wer ist aktuell Mitglied im Exekutivkomitee?
Derzeit (Herbst 2021) gibt es kein Exekutivkomitee.
- Wer trifft die Auswahl, beruft die Mitglieder?
Der Beirat
- Nach welchen Kriterien wird diese getroffen (nachdem die Themen und Forschungsgebiete lt Aussage selbstständig vom Think-Tank bestimmt werden, also erst nach der Nominierung seiner Mitglieder)?
Der Beirat entscheidet je nach Projekt über die Zusammensetzung und orientiert sich dabei an Empfehlungen und Reputation.
- Auf welche Dauer werden die Mitglieder des Exekutivkomitees berufen?
Das Exekutivkomitee besteht nur im Zusammenhang mit jeweils einem konkreten Projekt und besteht daher für die Dauer des Projektes.
- Welche konkreten Aufgaben, Kompetenzen hat das Exekutivkomitee?
Die Erarbeitung konkreter Lösungsvorschläge der jeweiligen Aufgabenstellung
- Wem gegenüber ist es rechenschaftspflichtig?
Dem Beirat gegenüber.
- In welcher Form wird die Tätigkeit dokumentiert und veröffentlicht?
Berichte an den Beirat. Über eine Veröffentlichung hat man sich bislang keine Gedanken gemacht.
- Wie sieht der budgetäre Rahmen aus?
Nachdem das Exekutivkomitee grosso modo das Projekt im Rahmen der Zukunftswerkstatt meint, trifft das oben im Zusammenhang mit der Zunkunftswerkstatt gesagte auf das Exekutivkomitee zu.
- Welche Grundlage für die Tätigkeit des Exekutivkomitees gibt es (Geschäftsordnung, Statut, Satzung, Beschluss des Gemeinderats …)
Eine Geschäftsordnung, die durch einen Gemeinderatsbeschluss legitimiert wäre ist nicht bekannt. Es gibt allerdings eine (nicht öffentlich einsehbare) Verfügung von Bürgermeister Luger, in welcher die Organe der Zukunftswerkstatt (Beirat Exekutivkomitee und Administrative Betreuung) festgeschrieben sind. Auf Basis des Gemeinderatsbeschlusses vom 30.11.2017 wird darin die Errichtung der Linzer Zukunftswerkstatt verfügt wird.
Administration
Die Administration liegt beim Geschäftsbereich Planung Technik und Umwelt (PTU)
- Ist der Geschäftsbereich PTU auch für die Kommunikation der Zukunftswerkstatt zuständig?
Nein, für die Kommunikation ist der Beirat zuständig.
- Wer spricht für die Zukunftswerkstatt, d.h. vertritt diese nach Außen?
Der Vorsitzende des Beirats, im konkreten Fall Bürgermeister Luger.
Zukunftswerkstatt und städtebauliche Kommission
Wie bestimmt sich das Verhältnis von Zukunftswerkstatt zur städtebaulichen Kommission (in städtebaulichen Fragen und Belangen)?
Es sind zwei unabhängige Instrumente der Stadtplanung
Hinweis
Während im Gespräch seitens der PTU die Fragen beantworteten wurden, blieb Lorenz Potocnik (LinzPlus) Antworten schuldig
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4 Kommentare
Kommentar von: cal Mitglied
Nachdem die Anfrage zur Zukunftswerkstatt länger unbeantwortet geblieben war, wurden die Fragen vom Büro des Vzbgm. Hein kurz und kanpp, doch leider unvollständig beantwortet. Vor allem Fragen nach den Kriterien der Auswahl und Bestellung, zur Evaluation und andere blieben offen. Entsprechend wurde am 26.7.2021 nachgefragt und um Auskunft gebeten — bislang jedoch ohne Erfolg.
Kommentar von: Manuel Besucher
Und wenn Du nicht mehr weiter weißt, dann gründe einen Arbeitskreis
Kommentar von: cal Mitglied
Einmal ist die Zukunftswerkstatt an die Öffentlichkeit getreten, zum Urfahraner Marktgelände. Allerdings wird nicht ganz klar, ob da der gesamte Think-Tank selbständig tätig war, oder aber ob Frau Sabine Pollak mit ihrem Team im Auftrag die am 9. Juni 2020 vorgelegte Studie „Donauufer / Urfahraner Markt“ erarbeitete. Die Studie selbst dürfte nicht veröffentlicht worden sein, zumindest ist sie bei online Recherchen nicht auffindbar. Liest man die beiden Pressemitteilungen der Stadt Linz dazu (10.7.2020, 13.11.2020), dann ergibt sich ein eher schräges Bild von der Tätigkeit der Zukunftswerkstatt. Ein „Geschmäckle” ist dem nicht abzusprechen. Handelt es sich bei der Zukunftswerkstatt im Grunde nicht um ein vorgeschobenes Instrument, dessen man sich gerne propagandistisch bedient? Da ist einfach viel zu viel unter der Decke.
Kommentar von: Günter Baudisch Besucher
Es ist ja fast lächerlich, dass sich eine Zukunftswerkstatt mit der Möblierung eines Jahrmarktsgeländes beschäftigt, nicht jedoch mit den für die Stadt wirklich relevanten Fragen, wie der Ostumfahrung oder dem wohl kaum mehr zu verhindernden Westring. Beide Projekte werden die Stadt auf Generationen hinaus nachteilig prägen. Die Bevölkerung wird durch das Mehraufkommen an Verkehrt durch Lärm, Luftverschmutzung und Zerstörung von Natur in Naherholungsgebieten belastet werden. Hier geht es um Zukunft. Dazu schweigt die Zukunftswerkstatt - und weil sie das tut, ist sie im Grunde überflüssig. Denn es gibt gegenwärtig kaum wichtigeres als die Zukunft der Stadt vor diesen katastrophalen Verkehrsprojekten zu schützen.
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