Soziale Musterstadt ade | Linz
So schnell kann es gehen: noch vor gut zehn Jahren fühlte sich die Stadt Linz ihrer Vision einer „sozialen Musterstadt” verpflichtet. Davon ist mittlerweile kaum mehr etwas zu spüren. Im Gegenteil. In der am 1. Juli 2021 im Gemeinderat ohne Gegenstimmen beschlossenen „Linzer Stadtstrategie 2021” (G12) kommt der Begriff der „sozialen Musterstadt” noch nicht einmal mehr vor. Selbst Linz als „soziale Stadt” findet in dieser Strategie für die kommenden Jahrzehnte keine Erwähnung. Statt dessen soll sich Linz als Musterstadt des Wohnbaus etablieren.
S. 33 – Das ist der einzige Zusammenhang, in dem Musterstadt vorkommt.
Auf den 55 Seiten der Beschlussgrundlage „Linzer Stadtstrategie 2022” werden alle möglichen, vielfach trendige Themen angesprochen und es wird ein schickes Vokabular verwendet, wie man es aus Werbebroschüren kennt.
In dieser Strategie sucht man allerdings nicht nur vergebens nach Hinweisen auf die „soziale Stadt”, es werden dort weder Junge, so sie nicht ‚motiviert und bestens ausgebildet’ sind, S. 15 noch Alte, Kranke und Behinderte, Flüchtlinge oder Migranten erwähnt, trotz der zunehmend großen Herausforderungen, die auf die Stadt in Zukunft zukommen werden.
Bildung kommt in diesem Strategiepapier nur als Allgemeinplatz vor, kursorisch. SS. 15, 17, 19, 24, 31
Und obwohl wiederholt von Wohnbau die Rede ist, SS. 23, 33, 41, 42, 49 fällt nur ein einziges Mal beiläufig die Formulierung ,leistbares Wohnen’ und hier nur im Zusammenhang „Aktive Bodenpolitik”. S. 51 Kein Wunder, steht die gegenwärtige Stadtplanung in der Kritik, besonders freundlich zu Investor*innen zu sein.
Von ‚Zukunft’, ‚Zukunftsperspektiven’, ‚Zukunftsstadt’ und ‚Zukunftssicherheit’ et cetera ist in dieser „Linzer Stadtstrategie 2022” zu lesen, großteils phrasenhaft und selbstgefällig. Dass sich die Autor*innen jedoch tatsächlich mit den drängenden Herausforderungen, die auf Linz zukommen, auseinandergesetzt haben, dafür fehlen ausreichend Hinweise. Ein dort hervorgehobener Satz spricht Bände: Linz wird zu einem Start-Up für die Zukunft des integrierten Stadtlebens.
S. 6 Wenig tröstlich ist die Aussicht, dass neun von zehn Start-ups scheitern.
Es stellt sich die Frage: Hat irgendeine Gemeinderätin, irgendein Gemeinderat die 55 Seiten der „Linzer Stadtstrategie 2022” gelesen? Kritisch gelesen und womöglich verstanden, auf welch billige Art ein Konzept von mehr als fragwürdiger Qualität mit einem Grundsatzbeschluss ermächtigt wurde? An diesem einen Tag wurde im Linzer Gemeinderat über sage und schreibe 78 Anträge abgestimmt, darunter über diesen (G12), der die Zukunft der Stadt massiv betrifft. Es wurden einer kleinen, intransparent agierenden Gruppe zumindest für die kommenden zehn Jahre im Wesentlichen blanko Handlungsfreiheiten eingeräumt. Es ist kaum zu fassen. Gut, dass der Gemeinderat neu gewählt wird, auch wenn nicht wirklich zu erwarten ist, dass sich die Situation verbessern wird. Vielleicht wird dem einen oder der anderen neuen Gemeinderätin Linz als soziale Musterstadt wieder ein Anliegen sein. Man sollte die Hoffnung nicht aufgeben.
Kleboth und Dollnig ZT GmbH (2021): Linzer Stadtstrategie 2022. Linz realisiert Zukunft und macht Freude am Stadtleben. Eigenverlag: Publikation Nr.1 (Die Seitenangaben im Text beziehen sich auf die PDF Ausgabe vom 18.6.2021, die die Grundlage für den Gemeinderatsbeschluss bildete)
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Mit der Herausforderung „Digitalisierung” geht die „Linzer Stadtstrategie 2022” etwas arg unbekümmert um, bleibt vielfach in Allgemeinplätzen stecken und in selbstgefälligen Phrasen; dabei ist dies eine enorme Herausforderung für die Stadt und ihre BewohnerInnen.
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https://linz.genba.org/linzer-stadtstrategie-2022-fragwuerdig
Die von Kleboth und Dollnig ZT GmbH herausgegebenen 55 Seiten umfassende „Linzer Stadtstrategie 2022” erweist sich in vielen Punkten nicht nur als fragwürdig, sondern als problematisch. Hier versucht eine nicht deklarierte Gruppe Entscheidungskompetenz an sich zu ziehen und beansprucht Deutungshoheit für Ziele und Weg auf Jahre hinaus, als gäbe es keinen Gemeinderat. Es hat den Anschein, als wollten nicht demokratisch legitimierte Personen die Gemeindepolitik in vielen Punkten kapern.
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