Gesundheitsrisiko Luftverschmutzung in Linz
Die Linzer und Linzerinnen sind einem erheblichen gesundheitlichen Risiko durch Luftverschmutzung ausgesetzt. In politischen Kampagnen wird zwar immer wieder betont, dass sich die sogenannte „Luftgüte” in der Stadt in den letzten dreißig Jahren deutlich verbessert habe, was aber noch lange nicht heißt, dass die Situation zufriedenstellend ist oder sich nicht bereits wieder verschlechtert.
Dazu muss man wissen, wie miserable die Zustände damals vor dreißig Jahren waren. Im Industriegelände inmitten der Stadt wurde selbst nach der Großkatastrophe in Seveso weiterhin Trichlorphenol hergestellt und niemand wollte dann die Verantwortung für die Fässer mit dioxinhaltigen Rückständen übernehmen. Es wurden hoch giftige Pflanzenschutzmittel wie 2,4-D und Lindan selbst dann noch produziert, als viele davon schon international geächtet waren. Linz konnte es damals durchaus mit Los Angeles aufnehmen.
Trotz veröffentlichter Beschwichtigungsmeldungen, dass die Luftgüte sich weiter verbessere, ist die konkrete Erfahrung von Linzerinnen und Linzern eine andere. Es scheint, als würden in den letzten Jahren die Belastungen wieder deutlich zunehmen.
Wie gut werden wir über Schadstoffe und ihre Risiken informiert?
Messung von Schadstoffbelastungen in Linz
Das Land OÖ erhebt Daten zur Luftgüte in Linz an fünf (ohne SO2, PM2.5, CO), bzw. sieben Messstationen. Dabei werden folgende Schadstoffe gemessen: Feinstaub (PM10), Feinstaub (PM2.5), Kohlenmonoxid (CO), Schwefeldioxid (SO2), Schwefelwasserstoff (H2S), Stickstoffdioxid (NO2), Stickstoffmonoxid (NO). Dazu werden allgemeinen Daten zu Windgeschwindigkeit und Windrichtung dokumentiert. In Linz werden die Grenzwerte von Stickstoffoxiden überschritten, teils dramatisch. Auch die Feinstaubbelastung liegt vielfach noch über den Grenzwerten.
Können wir den kommunizierten Messwerten trauen?
Die erhobenen Messdaten dürften verlässlich sein. Zumindest gibt es keine Indizien, die dem widersprechen. Anders verhält es sich mit der Interpretation und Kommunikation dieser Daten.
Die zuletzt veröffentlichten Umweltberichte von Land (Der oberösterreichische Umweltbericht 2018 ) und Stadt (Air Quality Data in 2016, 2018 ) stellen die Luftverschmutzung in der Stadt Linz in ein der Umweltpolitik schmeichelndes Licht. So wird betont, dass die Belastungswerte mit gesundheitsschädigenden Schadstoffen zwar zurückgegangen wären, es wird aber heruntergespielt, dass diese weiterhin vielfach über den EU Grenzwerten liegen, deutlich sogar über den WHO Grenzwerten. Die Stadt Linz verweist in einer Gegenüberstellung darauf, dass es in Athen, Mailand oder Zagreb deutlich schlechtere Umweltbedingungen gäbe. Das aber bedeutet nicht, dass die Situation in Linz auch nur annähernd gut ist. Es bedeutet nur, dass es anderswo noch deutlich schlechtere Bedingungen gibt. Diese Relativierung ist eine unstatthafte Verharmlosung.
Daher stellt sich die berechtigte Frage, ob unsere Politiker - vorausgesetzt sie sind selbst informiert und verstehen worum es geht - uns zutreffend, wahrheitsgemäß und umfassend über die Fakten und die daraus abzuleitenden Risiken informieren. Derzeit bezweifle ich das.
Was besagen Grenzwerte?
Grenzwerte suggerieren Sicherheit.
Grenzwerte geben vor, dass keine gesundheitlichen Risiken bestehen, solange die Grenzwerte über einen vorgegebenen Zeitraum nicht überschritten werden. Das wird zumindest behauptet.
- Sie lassen außer Acht, dass Menschen nicht normiert sind und unterschiedlich sensibel auf Schadstoffe reagieren (z.B. Kinder, ältere Menschen, Kranke)
- Sie lassen Wechselwirkungen von unterschiedlichen Schadstoffen und deren Anreicherungen beim Menschen unberücksichtigt.
- Sie lassen keine verlässliche Aussage über Langzeiteffekte zu.
Grenzwerte werden ausgehandelt
Grenzwerte sind das Ergebnis einer politischen Entscheidung, auf welche Wissenschaftler durch Ihre Forschungsergebnisse einwirken, die im Wesentlichen aber von mächtigen Lobbys der Industrie und Wirtschaft beeinflusst werden, auch von supranationalen Organisationen und international agierenden Konzernen. Entsprechend gelten in verschiedenen Ländern durchaus unterschiedliche Grenzwerte zu denselben Schadstoffen.
Österreich /EU |
25 µg/m³ |
WHO (World Health Organisation) 2005 |
10 µg/m³ |
Österreich /EU |
40 µg/m³ |
WHO (World Health Organisation) 2005 |
20 µg/m³ |
Wie das Beispiel zeigt, mutet die Österreichische Politik ihren Bürgern bezüglich Grenzwerte eine zweieinhalb Mal so hohe Schadstoffbelastung im Bereich PM2.5 und eine doppelt so hohe im Bereich PM10 zu, gegenüber der von der WHO 2005 festgelegten Grenzwerte. Wobei nicht vergessen werden darf, dass Lobbys auch auf die WHO einwirken. Daher ist davon auszugehen, dass selbst die strengeren Grenzwerte der WHO grenzwertig sind.
Überschritten – jetzt Gefahr! Der Mythos vom unbestreitbaren Grenzwertvon Florian Felix Weyh
Es geht um Unternehmensschutz
Grenzwerte und ihre ‚statistische’ Verzerrung
Beschwichtigungen, dass die Luftverschmutzung gar nicht so hoch sei, beziehen sich meist auf Jahresmittelwerte, also auf den Durchschnitt sämtlicher Messwerte bezogen auf ein Jahr. Weniger häufig findet man diese auch bezogen auf den Tagesmittelwerte, aber doch eher selten. Diese Mittelwertberechnung eignet sich sehr gut, um Spitzenbelastungen, auch wenn diese mehrere Stunden anhalten, zu verstecken.
Es wird verschleiert, dass beispielsweise bei Stickstoffoxiden eine mehrstündige Überschreitung des Grenzwerte bereits zu nachweisbaren gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt. In Linz sind nicht selten Wert zu messen, die den Grenzwert nicht geringfügig, sondern um ein Mehrfaches überschreiten.
Um diesen Umstand anschaulich zu machen: Wenn sie über ein ganzes Jahr gestreckt täglich kleinere Dosen eines Giftes nehmen, dann mag das verkraftbar sein. Wenn sie dieselbe Menge allerdings verteilt auf nur wenige Tage einnehmen, dann wird die Dosis zumindest stark gesundheitsgefährdend, wenn nicht gar tödlich sein.
Mit anderen Worten: Die Statistik bietet Betrachtungsweisen, die methodisch zwar korrekt sind, aber doch zu einem unrichtigen Schluss und in diesem Fall zu einer wenig verantwortbaren Beschwichtigung führen können.
Bekannte Gesundheitsrisiken
Stickstoffbelastung
Die Gesundheitsrisiken durch Luftverschmutzung sind vielfältig. An dieser Stelle möchte ich mich auf die Problematik von Stickoxiden (NOx) konzentrieren. Aufschlussreich ist ein aktuell vom Bundesumweltamt in Deutschland herausgegebener Bericht: Quantifizierung von umweltbedingten Krankheitslasten aufgrund der Stickstoffdioxidexposition in Deutschland, 1/2018 Abschlussbericht
Hier heißt es:
NO2 wirkt als sehr reaktives Oxidationsmittel. Die relativ geringe Wasserlöslichkeit von NO2 führt dazu, dass der Schadstoff nicht in den oberen Atemwegen gebunden wird, sondern in tiefere Bereiche des Atemtrakts (Bronchiolen, Alveolen) eindringt.
Selbst im Rahmen einer Kurzzeitstudie konnte bei einer Erhöhung der NO2-Belastung eine Zunahme der Gesamtmortalität und insbesondere der Mortalität aufgrund von Atemwegs- und Herz-Kreislauferkrankungen gezeigt werden. Ebenso wurde ein Anstieg der Krankenhausaufnahmen aufgrund von Atemwegserkrankungen (z. B. Asthma) als auch Herzinfarkten mit NO2 assoziiert. Zudem traten im Zusammenhang mit erhöhten NO2-Werten vermehrt kardiopulmonale Notfälle auf. Menschen mit bereits bestehenden Atemwegserkrankungen (wie Asthma oder Bronchitis) sowie Herzkranke, ältere Menschen und Kinder zeigten sich im Allgemeinen empfindlicher gegenüber einer NO2-Exposition.
Ein besorgniserregender Zusammenhang konnte bei langjähriger NO2-Belastung und der Sterblichkeit (Gesamtsterblichkeit, Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen, Lungenkrebs), der Häufigkeit von Lungenkrebserkrankungen sowie der Entstehung chronischer Atemwegsbeschwerden (z. B. Asthmaentstehung) bei Erwachsenen und Kindern festgestellt werden.
Feinstaubbelastungen
Feinstaub zählt zu den besonders schädlichen Luftschadstoffen. Feinstaub verursacht weltweit knapp ein Drittel mehr Todesfälle, als bisherige Schätzungen ahnen ließen, berichtet ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung im Fachjournal "PNAS" ". […] In einer früheren, EU-weiten Studie habe man außerdem schon nachgewiesen, dass bereits PM2,5-Konzentrationen unterhalb der europäischen Grenzwerte das Sterberisiko erhöhen.
Schwierig einzuschätzen sind die Anteile gefährlicher Substanzen im Feinstaub, wie beispielsweise krebserregemder Aromaten. Dazu werden auch nur zurückhaltend Daten veröffentlicht, die lokale Spitzenbelastungen meist unberücksichtigt lassen.
Eine wesentliche Ursache für die extrem hohe Staubniederschlagsbelastung im Linzer Raum liegt, wie in einem Bericht über die Luftqualität Linz ausgewiesen, im wesentlichen in den beiden wichtigsten Industriebereichen Düngemittelherstellung und Stahlproduktion.
Gesundheitsrisiken, von welchen wir nichts wissen
Viel zu wenig ist über die Gesundheitsrisiken der Luftverschmutzung im einzelnen bekannt. Das mag auch daran liegen, dass Luftverschmutzung, vor allem dann, wenn sie nicht sichtbar ist, in der Bevölkerung auf wenig Aufmerksamkeit stößt. Dazu kommt, dass Ärzte beispielsweise bei Lungenkrebs und Fragen nach einem Zusammenhang mit Luftverschmutzung zumeist antworten, es handle sich um multifaktorielle Ursachen und diese lägen häufig über zwanzig Jahre zurück. Das wird wohl auch seitens der Politik als vordergründiges Argument dafür genutzt, nicht wirklich etwas, jedenfalls deutlich zu wenig zum Schutz der Bevölkerung zu unternehmen. Manchmal drängt sich auch der Eindruck auf, dass Politiker nach dem Motto handeln: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.
Fehlende Messungen und Analysen
Welche zusätzlichen, gesundheitsgefährdenden Schadstoffe darüber hinaus in unserer Luft zu finden sind, wissen wir nicht. Zunächst wird nicht alles gemessen, wie z.B. der bislang deutlich unterschätzte Ultrafeinstaub (PM0,1), Aerosole, hoch giftige und gesundheitsgefährdende Benzole, Aromaten und weitere organische Verbindungen etc.pp.
Dazu kommt, dass neue Verfahrenstechniken Schadstoffe erzeugen, die weder die Politik noch das Umweltbundesamt oder regionale Umweltämter und -messstationen im Blick haben. Zumeist sind diese mit leistbarem Instrumenteneinsatz kaum nachzuweisen. So gibt es für Linz beispielsweise keine Messstation, die in der Lage wäre, Belastungen durch Ultrafeinstaub zu messen, obwohl man weiß, dass dieser krebserregend ist. Zu teuer, so die Auskunft, wäre die Anschaffung der Messinstrumente, was allerdings nicht ganz nachvollziehbar ist.
Nicht veröffentlichte Daten
Die Statistik Austria veröffentlichte aktuell zwar einen durchaus interessanten Bericht zu Krebserkrankungen in Österreich. Allerdings lassen die hier publizierten Daten keine begründbaren Rückschlüsse auf Luftverschmutzung zu. Dazu sind die Daten zu allgemein. Es gibt in Österreich noch Krebsberichte in Tirol, Kärnten, Salzburg und Vorarlberg.
Es gibt laut Auskunft der Statistik Austria zwar Daten, die über Verteilung und Häufigkeit von Krebserkrankungen Auskunft geben können, heruntergebrochen bis zu den Postleitzahlenbezirken. Danach ließe sich feststellen, in welchen Städten und welchen Stadtteilen ein höheres Risiko besteht, an Krebs zu erkranken und welche Krebserkrankungen dort insbesondere signifikant sind. Allerdings war es nicht möglich, diese Daten einzusehen. Die wenig zufriedenstellende, mehr noch, beunruhigende Erklärung: Ein Veröffentlichung dieser Daten würde die Bevölkerung zu sehr verunsichern. Wären die Daten zugänglich, könnte untersucht werden, ob es Korrelationen zu spezifischen Ausprägungen von Krebserkrankungen und Luftverschmutzung gibt.
Für Oberösterreich und noch spezifischer für Linz gibt es keine vergleichbaren Daten, zumindest konnte ich keine vergleichbare Publikation oder keinen vergleichbaren Onlinezugang zu den Daten finden. Der letzte Gesundheitsbericht des Magistrats Linz bezieht sich auf die Jahre 2009-2013. Dieser ist sehr allgemein und gibt keine dem Krebsatlas / Krebsbericht entsprechende Informationen oder erörterte das auf Luftverschmutzung zurückführbare erhöhte Krebsrisiko .⌕
Forderung
- Ausweitung der Schadstoffmessungen und Analysen zur Luftverschmutzung in Linz.
- Im Rahmen eines Forschungsprojektes – Prüfung, in welchem Umfang für Linz Korrelationen von Luftverschmutzung, Gesundheitsrisiken und Erkrankungen (Herz-Kreislauf, Krebserkrankungen etc.) nachgewiesen werden können.
Weitere Links:
Muschack, Simone (2013). Wie wirken sich Stickstoffoxide auf die menschliche Gesundheit aus? Umweltbundesamt. Online: http://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/wie-wirken-sich-stickstoffoxide-auf-die-menschliche [Abgerufen am 21.12.2018].
Wehy, Florian Felix (2018). Überschritten – jetzt Gefahr! - Der Mythos vom unbestreitbaren Grenzwert. Deutschlandfunk Kultur. Online: https://www.deutschlandfunkkultur.de/ueberschritten-jetzt-gefahr-der-mythos-vom-unbestreitbaren.976.de.html?dram:article_id=436200 [Abgerufen am 21.12.2018]
Zimmermann, Fritz (2017). Die unsichtbare Gefahr. ZEIT ONLINE. Online: https://www.zeit.de/2017/18/feinstaub-grenzwerte-belastung-medizin-land-luftverkehr [Abgerufen am 6.9.2018].
Zeit Online (2012). Dioxin, der Rächer aus der Retorte. ZEIT ONLINE. Online: https://www.zeit.de/1984/10/dioxin-der-raecher-aus-der-retorte [Abgerufen am 23.08.2018].
Schneider, Martin (2017). Wie schädlich die Luftverschmutzung wirklich ist. 8 Fakten zu Feinstaub und Stickoxiden. swr vom 5.9.2017 [Abgerufen am 31.10.2018]
Empfohlene Twitter:
Siehe auch folgende Beiträge:
Luftverschmutzung in Linz – Keine Bagatelle Stadt Linz - Industriegebiet inmitten der Stadt (rot)
Linz habe sich zu einer „sauberen” Stadt entwickelt. Das ist das Mantra der Industriestadt an der Donau. Doch wie weit trifft das zu? Und gibt es in den letzten Jahren Hinweise dafür, dass die Luftverschmutzung wieder zunimmt? Mehr lesen...
Verbrennt die Industrie im Großraum Linz illegal Sonderstoffe? Es ist auffällig, dass intensiver Insdustriegestank vor allem nachts, bzw. vor Sonnenaufgang auftritt. Je nach Windgeschwindigkeit legt sich der Gestank dann träge bevorzugt über den Osten und den Süden von Linz, abhängig von der Windrichtung. Mehr lesen...
Einige Links zum Thema Luftverschmutzung
:
Autor/Hrsg. | Titel | Jahr | Stichwort |
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Europ. Umweltagentur | Luftverschmutzung | 2017 | Katalog |
3 Kommentare
(5.0)
Kommentar von: Michaela Besucher
Den Stadtpolitikern dürfte es einerlei sein, ob da Bürger an Krebs sterben, ob die Umweltverschmutzung die Gesundheit von Kleinkindern schädigt und von Erwachsenen - nachweisen wird sich das nicht lassen und es ist dazu auch kein Thema in der Stadt. Wer an Krebs erkrankt ist hat dann ohnehin anderes im Kopf, als auf die Straße zu gehen und gegen diese Umweltpolitik zu demonstrieren.
Kommentar von: Krinninger Beate Besucher
Ich unterstütze die Forderungen, mit weiteren Ergänzungen:
Ehrlichkeit im Umgang mit der Bevölkerung und endlich ein #Informationsfreiheitsgesetz nicht nur für Bund, sondern auch für Länder und Kommonuen und endlich ein effektives #Transparenzgesetz!
Kommentar von: Meggie Besucher
Ich weiß schon, warum ich nicht mehr in Linz lebe, sondern nur noch gelegentlich zu Besuch komme. In Wien dürften die Verhältnisse, zumindest in meinem Bezirk, deutlich besser sein: siehe https://www.wien.gv.at/ma22-lgb/tb/tb-aktuell.htm
Wann werden die Linzer verstehen, dass Luftverschmutzung in Linz nicht deshalb geringer ist, weil die Stadt kleiner ist als Wien. Linz hat wirklich ein Problem ⊙︿⊙ ୧( ಠ Д ಠ )୨
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