Denkfabrik für Stadtentwicklung
Im oberösterreichischen Linz scheiden sich seit Langem die Geister, wenn es um Stadtplanung und Stadtentwicklung geht, wobei die Zahl derer zunimmt, die behaupten, so etwas gäbe es in Linz gar nicht. Seit sich, für Linzer Verhältnisse, die Hochhauspläne überschlagen und die Stadtregierung die Skyline als sichtbaren Erfolg ihrer Politik wertet, gehen die Wogen hoch.
Da reicht dann schon ein unscheinbarer Beitrag in den OÖN aus, um Aufmerksamkeit und Verwunderung auszulösen: „Linz bekommt eine Denkfabrik für Stadtentwicklung” Der Artikel insinuiert allerdings zunächst etwas, was sich in der Berichterstattung vom selben Tag unter Verwendung desselben Pressefotos auf Solidbau der WEKA Industrie Medien GmbH anders darstellt. Dieser Beitrag titelt: „Delta kooperiert mit Soravia und steigt bei CMb.industries ein” . Worum also geht es bei der „Denkfabrik für Stadtentwicklung”?
Die Beteiligten
Die DELTA Holding GmbH mit Sitz im oberösterreichischen Wels präzisiert in der Pressemitteilung: „DELTA investiert siebenstellig in CMb.industries”. Wer oder was ist die DELTA GmbH und wer oder was sind CMb.industries? Die DELTA Holding GmbH sagt von sich selbst, dass sie zahlreiche Bau- und Immobilienprojekte fertiggestellt habe. Verkürzt könnte man sagen, es handelt sich um einen Bau- und Immobilienentwickler. Die Webseite der CMb.industries gibt wenig über das Unternehmen preis, denn sie ist nur jenen zugänglich, die über die erforderlichen Zugangsdaten verfügen. Aus dem Impressum geht lediglich hervor, dass der Firmenstandort der GmbH die Tabakfabrik Linz ist. Allerdings erfährt man aus der Pressemitteilung der DELTA GmbH, dass der Gründer und CEO dieser CMb.indurstries Cris Müller ist, zugleich auch Geschäftsführer der Tabakfabrik Linz. Dieser Cris Müller ist danach auch Mitgründer von ATMOS Aerosol Research , einem Unternehmen, das sich auf das Messen von Luftqualität und deren gesundheitlichen Auswirkungen spezialisiert hat
.
Die DELTA GmbH hat deshalb in die CMb.industries investiert, weil sie über ATMOS Aearosol Research eine Partnerschaft mit dem Immobilienunternehmen Soravia eingehen konnte. Und da wird es nochmals interessant, wenn man auf der Webseite von Soravia liest: CMb.industries versteht sich als „Department of Disruptive Disciplines“ von und für Soravia [Hervorhebung durch Autor], an der Schnittstelle von Real Estate Development, Stadtentwicklung, Technologie, Digitalisierung und Gesellschaft mit Hauptsitz in der Stahl- und Digitalstadt Linz.
Soravia selbst ist ein familiengeführter großer Player im Immobiliengeschäft als Immobilienentwickler. Laut Impressum handelt es sich genau genommen um die Soravia Investment Holding GmbH. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben bislang 2,1 Mio. m² Nutzfläche entwickelt, hat bisher 6,3 Mrd. EUR Projektvolumen umgesetzt und beschäftigt 3330 Personen.
Und das bedeutet was?
Eigentlich ist das nicht wirklich der Rede wert. Da investiert ein Unternehmen in ein anderes, es kommt zudem zu einer Partnerschaft mit einem weiteren Unternehmen und zur Bündelung der Interessen rund um Immobilien und Immobilienentwicklung. Das Klappern rund herum gehört zum Geschäft.
Aufhorchen lässt allerdings eine Aussage des Linzer Bürgermeisters Klaus Luger anlässlich dieses Deals: Daher freue ich mich, dass in Linz der erste Hub für Stadtentwicklung eröffnet. Das Department of Disruptive Disziplines ist der richtige Vorstoß zur richtigen Zeit am richtigen Ort [Hervorhebung durch Autor].
Bedenkt man, dass vor allem die Politik in der Stadt Linz - und hier insbesondere der SPÖ Bürgermeister Klaus Luger und sein FPÖ Vize und Verantwortliche für Raumplanung und Städtische Hochbauangelegenheiten Markus Hein - im Kreuzfeuer der Kritik stehen, so könnte man mutmaßen, dass der Verweis auf eine sogenannte „Denkfabrik für Stadtentwicklung” in der Kommunikation strategisch genutzt werden könnte, um sich gegen Architekturkritik in Medien, Bürgerinitiativen und Expertenforen wie Arch.Pro.Linz zu wehren und so auch Schützenhilfe zu bekommen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob dabei die Nähe zu den genannten Immobilienunternehmen so vorteilhaft wäre.
Allerdings kann man beim aktuellen Stand der Informationen von einer unabhängigen, wissenschaftlich seriösen Denkfabrik noch nicht ausgehen, da die so genannte „Denkfabrik für Stadtentwicklung” im mächtigen Schatten der Investoren steht und sie sich künftig erst so etwas wie ein eigenständiges Renommee, eine Expertise als „Denkfabrik für Stadtentwicklung” erarbeiten muss.
Einige Artikel in österreichischen Medien zum Thema Linz und Hochhäuser
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Datum | Titel | Medium |
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29.05.2022 | Bauen nach Zahlen zerstört alles (Sabine Pollak) | derStandard |
12.05.2022 | Die elf Türme der "Post City Gardens" in Bahnhofsnähe sollen bis 2030 stehen (Julia Popovsky) | OÖN |
15.01.2022 | Stadtflucht, eine Spitze des Eisbergs und Bilder der Selbstverwirklichung (Alexander Zens) | OÖN |
12.01.2022 | Nach Gesprächen mit Dynatrace: Bürgerinitative ist weiter gegen 64-Meter-Hochhaus (Jürgen Affenzeller) | Tips |
13.12.2021 | Anrainer-Protest gegen Dynatrace-Hochhaus | OÖN |
07.12.2021 | „Stadtplanung braucht experimentelle Zugänge” Der neue Linzer Stadtentwicklungsdirektor Hans-Martin Neumann sieht sich in der Rolle eines Mediators (Julia Popovsky) | OÖN |
22.11.2021 | In Linz fehlt einfah eine langfristige Planung (Christian Kitzmüller) | OÖN, S.23 |
18.11.2021 | Ein 80-Meter-Hochhaus im Niemandsland: Pläne für Kaserne Ebelsberg entzweien die Gemüter | LINZA |
24.09.2021 | Wohnen statt Einkaufen. Grünes Licht für Hochhaus | OÖN, S. 30 |
03.09.2021 | „Es gibt einfach keine langfristige Stadtplanung”. Initiativen prangern "eklatante Fehlentwicklungen" und "intransparente Entscheidungsfindungen" an. | OÖN, S. 33 |
23.07.2021 | Leer stehende Luxuswohnungen: "Wir errichten dunkle Städte" | OÖN, S. 9 |
24.06.2021 | Nicht über jedes Hochhaus abstimmen (Julia Popovsky) | OÖN |
16.05.2021 | Wie Hochhäuser unser Wohnen für immer verändern (Wojciech Czaja) | derStandard |
14.05.2021 | Wien zeigt Linz, wie offen Stadtentwicklung sein kann (Reinhard Gruber) | OÖN |
21.04.2021 | Gespaltene Meinung zu Hochhausplänen am Nestlé Areal (Anna Stadler) | Tips |
15.04.2021 | Pressemitteilung der Stadt Linz zum Bauvorhaben Trinity Tower (Hinweis: Hier handelt es sich um keinen unabhängigen journalistischen Beitrag!) | Medienservice Stadt Linz |
24.03.2021 | Ein Manifest für eine neue Stadtplanung in Linz | OÖN |
02.03.2021 | ÖVP fordert erneut Stadtbaudirektor: "Der Stadtplanung fehlt ein roter Faden" | OÖN |
22.01.2021 | Linz braucht wieder einen Stadtbaudirektor (Philipp Hirsch) | OÖN |
21.01.2021 | Es gibt keinen Plan, wie Linz aussehen soll (Philipp Hirsch) | OÖN |
12.01.2021 | Grünes Licht für 109-Meter-Turm in der Tabakfabrik | OÖN |
05.01.2021 | Große Linzer Bauprojekte im Schatten der Coronakrise | OÖN |
16.09.2020 | Vision für Linz: Stadtbahn auf einer Brücke [… Eine Stadtbahn auf einer Brücke, Hochhäuser mit bis zu 60 Meter Höhe …] | OÖN |
17.05.2019 | Tabakfabrik Neu: Aufregung um den 100 Meter Turm | OÖN |
15.05.2019 | Die Tabakfabrik bekommt einen 100-Meter-Turm (Herbert Schorn, Reinhold Gruber) | OÖN |
10.04.2019 | Stadtplanung in Linz (Reinhardt Seiß) | a3bau |
28.03.2019 | Stadtplanung: Linz gibt nun klare Vorgaben | OÖN |
04.02.2019 | "Linz weist keine Gestaltungsqualität auf" | OÖN |
25.01.2019 | Bau des Bulgari Tower startet im März: "Ich freue mich, dass es endlich losgeht" | OÖN |
22.11.2018 | Umstrittener Weinturm kommt nicht: „Das Problem ist der Standort” | OÖN |
21.11.2018 | Aus für den Weinturm: 75-Meter-Hochhaus wird nicht gebaut | OÖN |
26.09.2018 | Jenseits der Schamgrenze (Reinhard Seiß) | Wiener Zeitung |
28.08.2018 | stand.punkte Reinhard Seiß [Video Statement] | Architektur & Bauforum |
16.08.2018 | Urbanistische Narrenfreiheit (Reinhardt Seiß) | Architektur & Bauforum |
03.06.2018 | Linz: Wie die Zerstörung der Stadt als Fortschritt verkauft wird (Reinhard Seiß) | Die Presse |
20.04.2018 | Ex-Planungsdirektor kritisiert Linzer Hochhauspolitik: „Ein Konzept fehlt” (Sandra Chociwski) | OÖN |
27.02.2018 | Warum wird das kleine Hochhaus nicht mehr gebaut? (Sabine Pollak) | derStandard |
26.02.2018 | Bis zum Himmel: Linz und seine Hochhäuser. Sind Hochhäuser ein Irrweg oder notwendig für die Stadtentwicklung? Die OÖN sprachen mit Architekten. | OÖN |
22.02.2018 | Der reiche Bräutigam. Verdichtung an der Linzer Tabakfabrik (Lorenz Potocnik) | BauNetz |
14.02.2018 | "Bei tausend neuen Wohnungen müssen wir in die Höhe bauen" Klaus Luger erklärt, wie er mit der Linzer Bevölkerung in der heiklen Frage Hochhaus-Bauten noch heuer einen Konsens finden will. | OÖN |
13,02.2018 | Ein Hochhaus kann in Linz überall gebaut werden, auch in der Altstadt | OÖN |
11.02.2018 | Hochhäuser: Darf Linz Frankfurt werden? (Maik Novotny) | derStandard |
09.02.2018 | Bruckner-Tower Thema im nächsten Gemeinderat | OÖN |
05.02.2018 | Expertendiskussion: „LInz wird nicht zur Hochhaus-Stadt, sie ist es bereits” (Anneliese Edlinger, Reinhold Gruber) | OÖN |
26.01.2018 | Blickfang auf der Donaulände: 81 Meter hoher Neubau für die Tabakfabrik | OÖN |
21.12.2017 | Stadtentwicklung: „Gemeinderat darf die Immobilienpreise nicht steuern” | OÖN |
25.11.2017 | Reinhard Seiß: "Das ist zu wenig!" | OÖN |
03.11.2017 | Linz und die Hochhäuser: Allein es fehlt der Plan (Reinhold Gruber) | OÖN |
11.09.2017 | Bürgeraufstand im Linzer Klostergarten der Kapuziner. Wo einst in Linz die Kapuziner lustwandelten, sollen Hochhäuser entstehen - derstandard.at/2000064138475/Buergeraufstand-im-Linzer-Klostergarten-der-KapuzinerWo einst in Linz die Kapuziner lustwandelten, sollen Hochhäuser entstehen - derstandard.at/2000064138475/Buergeraufstand-im-Linzer-Klostergarten-der-KapuzinerWo einst in Linz die Kapuziner lustwandelten, sollen Hochhäuser entstehen (Markus Rohrhofer) | derStandard |
09.08.2017 | Hochhaus und Tiefgarage: Streit um angebliche Schillerpark-Pläne | OÖN |
01.04.2017 | Linz: Streit um Hochhäuser und ihre Investoren (Josef Gepp) | profil |
28.02.2017 | Wohntürme sorgen auch in Linz für Diskussionen (Franziska Zoidl) | derStandard |
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2 Kommentare
(5.0)
Kommentar von: Arch. Reinhard Morawetz Besucher
“Denkfabrik für Stadtentwicklung”
Die planmäßige Gestaltung…im Interesse des Gemeinwohles (§1 (2) ROG)
gehört zu den behördlichen Aufgaben der Gemeinde Linz .. und ist im eigenen Wirkungsbereich wahrzunehmen (§1 (3) ROG)
Eine “Denkfabrik für Stadtentwicklung” ist im gesetzlichen Auftrag des ROG nicht vorgesehen.
Können die Experten der Stadtplanung nicht selber denken oder läßt sie die Politik nicht denken?
Was man selbst nicht kann, soll man sogar zukaufen (alles mit Steuergeldern selbstredend), solange es dem Gemeinwohl dient.
Aber Denkleistungen als Insidergeschäft an Immobilienentwickler zu vergeben kann wohl nicht dem Gemeinwohl und nicht dem gesetzlichen Auftrag dienen.
Linz, 23.5.2021
Arch. Reinhard Morawetz
Kommentar von: cal Mitglied
Denkfabrik - das ist ein Widerspruch in sich. Wenn das also nicht nur einem aufgelegten Marketinggeck geschuldet ist, wird das wohl nichts werden.
Außerdem lässt sich das disruptive Department für die beteiligten Firmen gut steuerlich optimieren. Wenn man dazu noch einen Fuß in die Türangel der Stadt bekommt, wären die Immos wohl auch nicht traurig. =)
Erwarten würde ich mir nichts davon. Das ist Schmäh führen ³
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